Mediengestützte Selbstorganisation in Open Source Projekten

Open Course 2011: In Woche 3 geht es um Lerntechnologien. Es stellt sich die Frage ob Lerntechnologien Lernprozesse beeinflussen oder ob sie bloße Lernwerkzeuge sind, die keinen Einfluss auf das Lernen selbst haben.

Aus meiner Sicht sind beide Thesen zu einem gewissen Anteil richtig. Mein Beitrag bezieht sich daher nicht so sehr darauf, neue Lerntechnologien vorzustellen da die meisten Technologien ohnehin ähnliche Funktionalitäten aufweisen.

Ich interessiere mich für die selbstorganisierten, interaktiven Prozesse, die in Online-Communities ablaufen und die letztendlich zu collaborativem Lernen und damit zu einer gemeinschaftlichen Weiterentwicklung der Community führen.

Online-Medien (ganz egal welche Tools dabei verwendet werden) ermöglichen erstmals einen Zusammenschluss von Menschen mit gleichen Interessen unabhängig von Ort, Zeit und gesellschaftlichem Status. Das verschafft den Lernenden unendliche Freiheit, sich genau die Community auszusuchen die am besten den eigenen Interessen entspricht.

Meine These ist, dass auch in selbstorganisierten Online-Teams Regeln unbedingt nötig sind, um als Team mit mehr als 3 Personen gemeinsam zu agieren. Wenn die Regeln nicht von Außen gegeben sind, dann beginnt das Team spontan selbst welche aufzustellen und diese immer weiter zu verfeinern.

Am Beispiel der TYPO3 Community beschreibe ich, wie sich eine internationale Open Source Community aus einem eher losen Zusammenschluss einzelner Personen, die sich für das gleiche Thema interessieren zu einem hochorganisierten System mit Gruppenregeln und einer Kultur entwickelt.

2005: Informations-Schnipsel mit extrem hohem Kreativitätspotenzial

Als ich 2005 damit begann, einen Lehrgang zu schreiben, war das TYPO3 Universum noch relativ überschaubar. Ich kaufte mir einen Stapel Bücher, um mir das nötige Wissen zum Thema zu verschaffen. Doch bereits während des Verfassens des dritten Kurs-Moduls war das erste nicht mehr aktuell, denn in diesen Zeitraum fiel ein so genanntes „major update“, das gravierende Änderungen in der Bedienung des Systems mit sich brachte.

Die Bücher waren für die Aktualisierung der Module unbrauchbar geworden. Ich war zunächst ganz auf mich selbst gestellt. Doch bereits nach 3 Tagen begannen TYPO3 User kleine Informationsschnipsel ins Internet zu stellen. Als Medien wurden Texte mit Bildern, Foren und Chats verwendet. Die nötige Information stand schnellstmöglich zur Verfügung. Ich war beeindruckt. Die TYPO3 Entwicklgergemeinde war sehr aktiv und arbeitete auf ein gemeinsames Ziel hin, das Kasper Skarhoj – der Erfinder von TYPO3 – hervorragend vermittelt hatte. „Inspiring People to Share“.

Die Community befindet sich in einem noch weitestgehend unorganisiertem Zustand. Es entstehen spontane Beiträge von hoher Qualität und Kreativität.

2007: Clusterbildung

Der rasanten Weiterentwicklung des Systems waren keine Grenzen gesetzt. Es entwickelten sich immer mehr Extensions, Tutorials, Foren, Blogs sowie etliche „Collaboration-Tools“ in denen sich die unterschiedlichen Entwickler-Gruppen organisierten.

Innerhalb der Gruppen bildeten sich immer mehr unterschiedliche Ausrichtungen und Aufgabenstellungen aus. Wer zum damaligen Zeitpunkt eine Frage zu TYPO3 hatte, brauchte nur den entsprechenden Begriff bei Google einzutippen und schon standen ihm gleich mehrere qualitativ hochwertige Tutorials zur Verfügung. Die Community war durch die selbst vorgenommene Organisation noch produktiver und effektiver geworden.

Selbstorganisation emergenter Systeme

Die Organisationsdichte nimmt zu. Kleine Cluster mit unterschiedlicher Rollenverteilung bilden sich, die wiederum in Kontakt mit weiteren Mitgliedern der Community sind.

2009: Zunahme der Komplexität und Abgrenzung gegenüber der Masse

Die Community wuchs und wuchs, was zur Folge hatte dass die einzelne Gruppen rund um die TYPO3 Entwicklung den Wunsch verspürten, sich massiv gegen die „breite Masse“ abzugrenzen. Es bildeten sich mehrere Unter-Systeme von TYPO3 heraus, die in unterschiedlichen Gruppen weitereintwickelt wurden. Man war sich plötzlich nicht mehr einig darüber, was denn nun die geeignetste Methode sei.

Die Beiträge im Netz wurden so umfangreich, dass sich immer häufiger auch qualitativ weniger gute Beiträge in den Vordergrund drängten. Die Werbewirksamkeit von TYPO3 war allgemein entdeckt worden und es gab viele Agenturen, die sich das zunutze machen wollten, ohne dabei wirklich an der Qualität der Beiträge interessiert zu sein.

Zusätzlich gab es mehrere widersprüchliche Aussagen zum gleichen Thema und außerdem immer mehr Tutorials, die bereits veraltet waren. Die Menge an Information im Zusammenhang mit geringerem Informationswert erschwerten die Informationssuche im Netz immer mehr.

Selbstorganisation emergenter Systeme

Die Cluster festigen sich und bilden eigene Gruppenregeln aus. Ein Zutritt in den Cluster ist nur noch mit Erlaubnis aller Mitglieder und nach Anerkennung der Gruppenregeln möglich.

2011: Ausbildung einer höheren Organisationsstufe

Im laufe der weiteren Entwicklung kam es immer wieder zu Diskussionen. Einzelne Gruppen versuchten die Richtung für die gesamte Community vorzugeben, was natürlich misslang, da sich die anderen Gruppen bevormundet fühlten. Es wurden Community Manager eingesetzt, um die Gruppen untereinander zu moderieren.

Nach einem längeren Prozess, begannen die Gruppen in Dialog zueinander zu treten und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Für die gesamte Community wurde der „TYPO3 Leadership Code of Conduct“ eingeführt. Das Regelwerk beinhaltet einen Verhaltenskodex, der sich an Führungskräfte aber auch an Team-Mitglieder richtet wobei natürlich von den Führungskräften eine Beispielfunktion erwartet wird.

Selbstorganisation emergenter Systeme

Eine höhere Organisationsstufe entsteht durch Kommunikation der Gruppen untereinander und Verständigung auf allgemeingültige Community Regeln, die alle Gruppen akzeptieren und anwenden.

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